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Die Artemis von Versailles

Eine Göttin mit ihrer Hirschkuh auf der Jagd

Die jungfräuliche
«Göttin des Draussen»

«Wie die Göttin der Jagd (…) mit Köcher und Bogen einhergeht,
Und sich ergötzt, die Eber und schnellen Hirsche zu fällen.
(…) die hohe blühende Jungfrau.»
Homer, Odyssee 6, 102–109
Die Griechen verehrten Artemis unter vielen Aspekten. Sie war die «Göttin des Draussen», Jägerin, Herrin der Tiere und die jungfräuliche Beschützerin der Mädchen und Frauen. Die Römer nannten sie später Diana.

Artemis ist die Zwillingsschwester von Apollon, Gott des Lichts und der Künste. Ihr Vater zeugte die beiden – sehr zum Verdruss seiner Ehefrau Hera – mit der schönen Titanin Leto.

Die Artemis von Versailles

Die Hirschkuh von Keryneia hatte der Legende nach ein goldenes Geweih und goldene Hufe. Sie war der Artemis heilig und so schnell, dass sie einem Pfeil davonspringen konnte.
Das griechische Original der Statue ist verloren, mit der Versailler Artemis hat sich aber eine beinahe vollständige römische Kopie erhalten. Artemis ist auf der Jagd und trägt ein praktisches, jedoch für Frauen unübliches kurzes Gewand. Sie ist im Begriff einen Pfeil aus dem Köcher herauszuziehen, um ihn in den Bogen zu spannen, den sie ursprünglich in ihrer linken Hand hielt. Neben ihr springt die mythische Hirschkuh von Keryneia auf.

Die königliche Herkunft

Heute steht eine Kopie der Statue im Spiegelsaal von Schloss Versailles, von dem sie ihren Namen «Artemis von Versailles» erhielt.
Die Statue der Artemis hat seit ihrer Auffindung eine turbulente Geschichte hinter sich. Papst Paul VI. verschenkte sie im 16. Jahrhundert nach Frankreich, wo sie eine Reihe französischer Residenzen schmückte. Der Sonnenkönig Ludwig XIV. liess die Statue schliesslich nach Versailles überführen und im prachtvollen Spiegelsaal aufstellen, bis sie an ihren heutigen Standort im Louvre gelangte.

Das Heiligtum am Nemisee

«Dianas Hain war gefüllt mit dem Rauch der Fackeln, der Nemisee schimmerte in ihrem Licht.»
Statius, Silvae 3, 1, 84–87
Die Statue im Louvre stammt wahrscheinlich aus dem Heiligtum der Diana Nemorensis, das sich in Aricia, einer Stadt unweit von Rom inmitten eines Hains (lat. nemus) am Nemisee befand. Die Römer nannten den See auch speculum Dianae (Spiegel der Diana) und verehrten die Göttin in ihrem dreifachen Aspekt als Jägerin, als Beschützerin der Geburten und als Unterweltsgottheit.
Im 6. Jh. v. Chr. diente das Heiligtum auch als politisches Zentrum des latinischen Bundes und war ein Asyl für flüchtige Sklaven.

Technische Daten

Original

Datierung: römische Marmorkopie einer Statue um 330 v. Chr. (?)
Material: Marmor
Fundort: Angeblich aus dem Artemis-Heiligtum von Nemi (südöstlich von Rom)
Standort: Paris, Louvre
Höhe: 205 cm

Abguss

Hersteller: Effenberger, Form und Abbild, Dresden
Material: Gussmarmor

Literatur (Auswahl)
  • C. Zimber, Die Artemis Versailles und die Artemis-Iphigenie-Gruppe (1991)
  • C. Maderna, in: P. C. Bol (Hg.), Die Geschichte der antiken Bildhauerkunst II (2004) 343f. Abb. 313 a–h
  • G. Ghini, F. Diosono, Il Santuario di Diana a Nemi: RECENTI ACQUISIZIONI DAI NUOVI SCAVI, in: E. Marroni (Hg.), Sacra Nominis Latini. I santuari del Lazio arcaico e repubblicano. Atti del Convegno, Roma 2009, Ostraka NS 2012, I, 119–137
Abbildungsnachweis

Abb. 1 Gussmarmorabguss einer römischen Marmorkopie der Statue Aphrodite von Versailles um 330 v. Chr. (?)
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Abb. 2 Erik Karits auf Pixabay

Abb. 3 Detail des Gipsabgusses einer römischen Marmorkopie der Statue Aphrodite von Versailles um 330 v. Chr. (?), Inv. SH 201
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Abb. 4 Der Spiegelsaal von Versailles https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Versailles_Ch%C3%A2teau_de_Versailles_Innen_Grande_Galerie_17.jpg

Abb. 5 Der Nemisee in den Albaner Bergen
© RaBoe / Wikipedia commons.wikimedia.org/wiki/File:Nemi_2014_by-RaBoe_005.jpg (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode)

Abb. 6 Gussmarmorabguss einer römischen Marmorkopie der Statue Aphrodite von Versailles um 330 v. Chr. (?)
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Homer, Odyssee 6, 102–109 übersetzt nach J. H. Voss bearbeitet von E. Gottwein
Statius, Silvae 3, 1, 84–87 übersetzt von Sandy Haemmerle