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Satyr und Hermaphrodit

Eine erotische Statuengruppe mit Überraschungsmoment

Satyrn – die wilden Wesen des Dionysos

Der Satyr hat nicht den Mut, sich der schönen Mänade zu nähern und verschlingt sie mit seinem begehrlichen Blick von Weitem.

Weinkanne aus Athen, um 420 v. Chr., Antikenmuseum Basel, BS 407

Satyrn sind wilde Mischwesen aus dem Gefolge des Dionysos. Sie leben im Wald und sind – wie es sich für Anhänger des Weingottes gehört – meist betrunken und auf der Suche nach einem sexuellen Abenteuer. Oft versuchen sie ihre Opfer, meist Mänaden (Anhängerinnen des Dionysos), mit Gewalt zum Sex zu zwingen – dies gelingt ihnen jedoch nie.

Hermaphrodit – das anmutige Zwitterwesen

Der schlafende Hermaphrodit hat einen weiblichen Busen und männliche Genitalien.

Torso eines Hermaphroditen, römische Marmorkopie eines Werks des 2. Jh. v. Chr.,
Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig, BS 1211

«(…) so sind die Glieder durch die feste Umarmung eins geworden, keine zwei Leiber, sondern eine Zwittergestalt, die man weder Frau noch Mann nennen kann; sie erscheint als keines von beiden und doch als beides.»
Ovid, Metamorphosen 4, 377–379
Hermaphroditos ist der liebliche Sohn von Aphrodite und Hermes. Eines Tages bedrängte ihn eine Nymphe, hielt ihn umschlungen und bat die Götter, sie nie zu trennen. Die Götter erfüllten ihren Wunsch und aus ihrer beider Körper wurde einer – halb Mann und halb Frau.

Satyr und Hermaphrodit

Die Statuengruppe des mit einem Satyr ringenden Hermaphroditen war in römischer Zeit sehr beliebt. Ein Villenbesitzer in Pompeii liess sich das Motiv sogar an seine Wand malen.

Wandmalerei aus Pompeii, 1. Jh. n. Chr.

Die nackten Körper sind im Kampfgerangel eng miteinander verschlungen, Satyr und Hermaphrodit versuchen sich gegenseitig zu Fall zu bringen. Der pikante Überraschungsmoment der Komposition ist, dass die Betrachter*innen erst beim Umrunden der Gruppe bemerken, dass der Satyr nicht realisiert, dass er keine Frau zum Sex zu zwingen versucht, sondern einen Hermaphroditen.

Die erotische Gruppe als Gartenschmuck einer römischen Villa

Die originale Satyr-Hermaphrodit-Gruppe ist nicht erhalten, zahlreiche römische Kopien zeugen jedoch von ihrer Beliebtheit. Eine der Kopien fand man in der prächtigen Villa Poppaea, in der Nähe von Pompeii am Abhang des Vesuvs. Sie schmückte den Gartenbereich und war vor dem riesigen Swimmingpool (lat. piscina) aufgestellt.

Technische Daten

Original

Datierung: römische Kopie nach einem griechischen Original des mittleren 2. Jhs. v. Chr.
Material: Marmor
Fundort: Nettuno, Latium (Italien)
Standort: Staatliche Kunstsammlung Dresden
Höhe: 91 cm

Abguss

Hersteller: Effenberger, Form und Abbild, Dresden
Material: Gussmarmor

Literatur (Auswahl)

 

  • A. Stähli, Die Verweigerung der Lüste. Erotische Gruppen in der antiken Plastik (1999) 43ff. 311f. Nr. 1.3
  • Ch. Häuber, Vier Fragmente der Gruppe Satyr und Hermaphrodit vom Typus «Dresdner Symplegma» des Museo Nuovo Capitolino in Rom, in: Gedenkschrift für Andreas Linfert: Hellenistische Gruppen (1999) 157ff. Taf. 40–55
  • K. Knoll, Ch. Vorster, M. Woelk (Hg.), Skulpturensammlung Staatliche Kunstsammlung Dresden. Katalog der antiken Bildwerke II: Idealskulptur der römischen Kaiserzeit 2 (2011) 922–932 Nr. 221222
Abbildungsnachweis

Abb. 1 Satyr und Hermaphrodit, Gussmarmorabguss der römischen Kopie nach dem griechischen Original
des mittleren 2. Jhs. v. Chr.
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Abb. 2 Weinkanne aus Athen, um 420 v. Chr., Inv. BS 407
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Abb. 3 Torso eines Hermaphroditen, römische Marmorkopie eines Werks des 2. Jh. v. Chr., Inv. BS 1211
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Abb. 4 Wandmalerei aus Pompeii, 1. Jh. n. Chr., Archäologisches Nationalmuseum Neapel
Carole Raddato from FRANKFURT, Germany, CC BY-SA 2.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0>, via Wikimedia Commons

Abb. 5 Die Piscina (Swimmingpool) der Villa Poppaea in Torre Annunziata
by Rjdeadly – Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=88931740

Abb. 6 Satyr und Hermaphrodit, Gussmarmorabguss der römischen Kopie nach dem griechischen Original
des mittleren 2. Jhs. v. Chr.
© Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Ovid, Metamorphosen 4, 377–379 übersetzt von M. von Albrecht